Vom 5. bis 13. Mai 2016 ist in der Stadtgalerie Chur die eigens für das Festival kuratierte Kunstausstellung „Die Essenz des Körpers“ zu sehen. Kurator ist Dr. Andreas Hoffmann.
Die Vernissage findet am 5. Mai 2016 um 17.00 Uhr mit einer Einführung zu den Werken von Stefano Cagol (Italien), Eric Calderon (Schweden), Fredrik Ödman (Norwegen) und Jurgis Paskevicius (Litauen) statt.
Öffnungszeiten: Täglich 14.00 – 18.00 Uhr, Führungen täglich 16.00 Uhr
Die Ausstellung „Die Essenz des Körpers“ stellt Werke in einen Bezug, die eigenständig und jedes für sich über den menschlichen Körper reflektieren, jedoch dank kuratorischer Gegenüberstellung einen Dialog eingehen. Als Festivalausstellung formuliert das Projekt Fragen zum Körper des Tänzers, dessen Wahrnehmung durch den Zuschauer oft auf die in den Tanz visuell klar einbezogenen Körperteile beschränkt ist. Neben Armen und Beinen sind es meist Körperlinie und –drehung, die, in Tanzbewegungen eingebunden, die Tanzsprache formulieren.
Ein zweiter Blick auf den tanzenden Körper offenbart jedoch Körperteile, die in ihrer Bedeutung gleichberechtigt, oder gar essentiell neben den Extremitäten stehen, wie etwas das Ohr, das es dem Tänzer nicht nur ermöglicht, Musik oder Lauten zu folgen, den Atemrhythmus der Tanzpartner wahrzunehmen oder gar dank Schrittgeräuschen weitere Tänzer im Bühnen-raum zu lokalisieren. Weit wichtiger erscheint der im Gehörorgan versteckt und geschützt liegende Vestibularapparat, im Volksmund auch Gleichgewichtsorgan genannt. Jurgis Paskevicius stellt Empfindlichkeit, Transparenz wie Vielseitigkeit des Ohrs in den Fokus seines Werks „Silent Dancer“.
Tänzer sind Sportler und als solche ist ihr Wissen um Ernährung besonders wichtig. In unseren Zeiten wird viel und gerne über Nährstoffe wie Schadstoffe im Essen diskutiert, ein Skandal scheint eine Neuentdeckung zu jagen. Eric Calderon, eigentlich Verpackungsdesigner, hat mit seinem Werk „Endlagerung /Slutforvaring“ ein einzigartiges Kunstwerk geschaffen, das, auf wissenschaftlichen Nachforschungen basierend, den menschlichen Körper als End-lagerstätte gefährlicher Mikropartikel darstellt, die in Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen. Mit seinem Werk reflektiert Calderon nicht nur über die Schwierigkeit gesunder Ernährung in einer Welt, die fett- und wasserabweisende Stoffe vielfältig einsetzt und von pflege-leichten Materialien fasziniert ist (beispielsweise Sport- und Funktionskleidung der Sportler), sondern fragt nach Verantwortung von Produzent wie Verbraucher. In diesem Licht zeigt sich die Deklarierungspflicht von Allergenen und Inhaltsstoffen von Lebensmitteln als oberflächlich in einer Welt, die den Inhaltsstoffen der Verpackung selbst keine Aufmerksamkeit schenkt.
Das Festival TanZeiT-ZeiTanZ hat seit dem ersten Jahrgang die Nähe des Publikums zu den TänzerInnen, wie umgekehrt, zu einem besonderen Kulturerlebnis entwickelt. Tanz als energieraubende, physische Tätigkeit äussert sich optisch und akustisch durch Schweiss wie erhöhte Atemfrequenz, die Wärmeausstrahlung des Körpers auf das jeweilige Umfeld bleibt jedoch unsichtbar. Stefano Cagol hat im Rahmen seines preisgekrönten Werkes TBOE (The Body of Energy/ Der Körper der Energie) menschliche Körper in verschiedenen Temperaturfeldern mit einer Wärmebildkamera aufgezeichnet. Im nord-norwegischen Kirkenes hat er bei Aussentemperaturen von -32 Grad mit Flavia Devonas Tanzbewegungen aufgenommen, die, um eine Betonsäule situiert, den Kontrast zwischen Körper- wie Aussentemperatur visualisieren, wobei „Wärmeabdrücke“ der Hände eindrücklich Fragen der Wärmeübermittlung zwischen Tänzern aufwerfen. Als Triptychon installiert, zeigt das in Bodennähe installierte Werk zudem Aspekte des Verweilens wie Bewegens, der Flüchtigkeit wie Stabilität.
Wie eingangs gesagt, nimmt der Zuschauer den tanzenden Körper als Gesamtkunstwerk wahr. Fredrik Ödman, der sich selbst als Maler durch die Fotolinse bezeichnet, zerlegt in seiner Serie „Pinocchio Ballet“ in fotorealistischer Darstellung die Grazie des tänzerischen Bewegungsapparates. Nur durch Fäden verbundene und vom Tänzer selbst gesteuerte Körperteile beschreiben Motive auf höchst ästhetische und visuell eindrucksvolle Weise. Assoziationen mit paraolympischen Disziplinen sind erlaubt und fragen nach der Stellung des Körpers in der Gesellschaft. Diese Reflektion über Perfektion und das Mass der Unzulänglichkeit wird durch Eleganz wie Zusammenspiel der Körper in eine Diskrepanz gestellt, die den Zuschauer herausfordern und beunruhigen.
Dr. Andreas Hoffmann, Kurator
Die Stadtgalerie befindet sich im Rathaus, Poststrasse 33, Eingang direkt von der Fussgängerzone. Einen Plan finden sie hier.